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Grundsätzliches zum Wesen und zum Schutz der Echternacher Springprozession

Vom Ursprung her: Dank und Freude

Es ist anzunehmen, dass der Ursprung der Springprozession auf ein heidnisches Tanzritual zurückgeht, das zur Zeit der Christianisierung unserer Gegend von den iro-schottischen Missionaren übernommen wurde. Thiofrid berichtet in seiner Willibrord-Biographie, dass unzählige Pilger in Prozessionen zu Pfingsten in Echternach zusammenströmten. Er zählt die vielen Exvotos auf, welche die Abteikirche schmückten, Zeugnis von vielen Heilungen und Gebetserhörungen am Wallfahrtsort. Die im Zuge der Organisation der Pfarreien eingeführten sogenannten Bannprozessionen führten die aus der vorchristlichen Zeit übernommenen Rituale in unterschiedlicher Weise fort. Sie begaben sich zum Grab des hl. Willibrord, der wegen seiner Mildtätigkeit dem Volk gegenüber sehr populär war. Der ursprüngliche Sinn der Springprozession war der Dank für die erhaltenen Wohltaten und die Freude über das Heilsversprechen des christlichen Glaubens. Die Wallfahrt konzentrierte sich um die Zeit nach Pfingsten, das Pfingstfest war nämlich für die Juden ein Erntedankfest und später für die Christen die Geburtsstunde der Kirche. Dass die Prozession später als Buβprozession aufgefasst wurde, erklärt sich einerseits durch die abverlangte Anstrengung beim Springen, andererseits auch durch die Leiden, denen das Volk durch Krieg und Krankheit zu verschiedenen Zeiten ausgesetzt war.

Springen oder Tanzen?

Zu jeder Zeit wurde von den Springern eine gewisse Anstrengung abverlangt. Als Vorbild galt ihnen, wie berichtet wird, König David, der „aus Leibeskräften“ vor der Bundeslade tanzte. Heute wird von vielen Gruppen das Springen noch sehr ernst genommen, so dass viele Teilnehmer beim Verlassen der Basilika sich den Schweiβ von der Stirn abwischen. Für manche Teilnehmer, welche dieser Anstrengung nicht gewachsen sind, besteht die Möglichkeit, als Beter oder Sänger an der Prozession teilzunehmen.
Es wird berichtet, dass die Pilgergruppen in unterschiedlicher Weise ihre Wallfahrt nach Echternach verrichteten. Erst nach einem Zwischenfall im Jahre 1664 setzte sich die Art und Weise, wie die „springenden Heiligen“ aus Waxweiler auftraten, durch. Nach der Französischen Revolution wurde ihre Sprungart von den Echternacher Bürgern, welche nun die Prozession organisierten, beibehalten.

Eine einfache Volksweise wird eine berauschende Melodie

Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde die Springprozession weltweit bekannt und entwickelte sich weiter, infolge der zunehmenden Beteiligung von Musikkapellen, die in den Nachbarorten gegründet wurden. Dabei verlagerte sich ihr ursprünglicher Charakter und bot zu unterschiedlichen Interpretationen Anlass.
So trug die literarisch verbreitete Legende vom „langen Veith“ dazu bei, dass der ursprüngliche Sinn der Wallfahrt in den Hintergund geriet, die Magie der Melodie in den Vordergrund rückte. Das Gedicht von Nikolaus Welter, meisterhaft vertont von Lou Koster, wurde zum Inbegriff einer Anschauung, welche die Springprozession auf eine einzige Wundertat Willibrords reduzierte, durch welche er die von der Melodie Besessenen von ihrer Tanzwut erlöste. Obschon die Beteiligung an der Springprozession lange Zeit als Schutz gegen die Tanzwut (Veitstanz) angesehen wurde, wäre es falsch, darin den eigentlichen Sinn des Rituals zu sehen. Die ursprüngliche Melodie, die aus 14 Takten bestand, von nur einigen Musikanten auf einer Flöte, einem Dudelsack oder einer Geige vorgetragen, diente bloβ dazu, die springenden Pilger im Takt zu halten. Die jetzt von gröβeren Musikgruppen in ihrer ganzen Länge gespielte Melodie entwickelte sich zu einem regelrechten Ohrwurm, der auch gerne bei profanen Festen vorgetragen wird und zum Mittanzen verleitet, was aber, seitdem die Springprozession von der UNESCO als schützenswertes Kulturgut erklärt wurde, als Miβbrauch anzusehen ist. Das Springen zur heutigen Melodie macht nur Sinn, wenn es in Echternach zum Grab des hl. Willibrord führt, zu dessen Ehren die Prozession stattfindet.

Drei Schritte vor und zwei zurück?

Auch das, auf Jean Bertholet, einem unzuverlässigen Historiker des 18. Jahrhunderts, zurückgehende Klischee des „drei Schritte vor und zwei zurück“ führt dazu, dass für viele dieser Tanzschritt als einziges Wesensmerkmal der Springprozession zurückbehalten wird. Gewiss, es mag sein, dass in frühen Zeiten einige der vielen Gruppen das seit den Römern bekannte Tripudium (drei Schritte vor und einen zurück) benutzten, so dass das Rückwärtsspringen unter mehreren Varianten von einzelnen Gruppen praktiziert wurde. Wobei man sagen muss, dass nicht alle Varianten, so auch das weitverbreitete Klischee, nicht zur Melodie passen. Fest steht, dass anfangs des 19. Jahrhunderts vorwärts gesprungen wurde, wie Friedensrichter M. F. J. Müller als zuverlässiger Zeuge berichtet. Was nicht verhinderte, dass einzelne Gruppen, die später zur Prozession dazu kamen, sich verpflichtet fühlten, „richtig“ zu springen, wie ihnen das unaufmerksame Journalisten klischeehaft vorgebetet hatten. Seit 1949 wird nur mehr einheitlich vorwärts gesprungen.

Ein Bekenntnis zu Glaube und Tradition

Spricht man heute von der Echternacher Springprozession, so wäre es falsch, dieses religiöse Kultphänomen auf das besagte Klischee zu reduzieren und die beliebte Melodie zu profanen Zwecken zu miβbrauchen. Auch wenn das ursprüngliche Ritual, wie z. B. das Herabsenken des Radleuchters inmitten der Abteikirche als Versprechen der Erlösung im himmlischen Jerusalem, vereinfacht und leider auch verflacht wurde, so hat das gemeinsame Springen Tausender Pilger einen tiefen Sinn behalten. Wie am Anfang bekennen sie ihren Glauben in Freude und Zuversicht auf ein besseres ewiges Leben. Auch diejenigen, die aus Tradition mitspringen, fühlen sich verbunden mit einer Vergangenheit, zu der sich ihre Väter bekannten und die eine ganze Region über die Grenzen hinaus über Jahrhunderte nach Echternach führte.

Prozession oder Show?

Seitdem der Willibrordus-Bauverein im Jahre 1975 die Organisation der Springprozession übernommen hat und infolge dessen die Zahl der teilnehmenden Gruppen stark zugenommen hat, zeigt sich eine andere Entwicklung, die Aufmerksamkeit verdient. Es wurde bis dahin nie von den Organisatoren eine spezielle Kleidung für die Springer/Springerinnen vorgeschrieben. Traditionsgemäβ tragen die Echternacher Männer eine dunkle Hose und ein weiβes Hemd, was dadurch zu erklären ist, da sie schnell zuhause sind. Die andern Pilger, die von weit herkamen, trugen ihre normale Kleidung. Allmählich übernahmen die Echternacher Frauen und Kinder diese Tracht ebenfalls, so dass die Meinung aufkam, dies sei die vorgeschriebene Kleidung der Springer. Viele auswärtige Pilger glauben, sich dieser ungeschriebenen Regel anpassen zu müssen, was aber z. B. bei Regen und Kälte nicht durchzuhalten ist. Als nun nach 1975 besonders viele Frauengruppen zu der Springprozession kamen, traten einzelne mit Trachtenkleidung auf, was von den Organisatoren aber nicht weiter geduldet wurde, aus Sorge, die Prozession könnte zu einer Folklore-Show ausarten. Da aber einzelne Gruppen sich als geschlossene Gemeinschaft anmelden und als solche auftreten wollen, zeigen sie sich an einem besonderen farbigen Halstuch erkennbar. Jugendliche Gruppen treten mit weiβen T-Shirts auf mit einer speziellen Beschriftung. Neuerdings konnte man Gruppen mit farbigen T-Shirts sehen, um so die Aufmerksamkeit auf ihre Herkunft zu lenken.
Zu diesem Zeitpunkt müssen wir uns die Frage stellen: Soll die Prozession wirklich bunter und farbiger werden? Ist es sinnvoll, dass jede Gruppe auf irgendeine Weise mit Stolz auf ihre Herkunft hinweist? Genügt es nicht, wenn die angemeldeten Gruppen auf der Teilnehmerliste figurieren? Springen wir für die angereisten Zuschauer und für die Berichterstattung in den Medien, oder reihen wir uns bescheiden in den langen Zug der Pilger ein, um in Gemeinschaft mit anderen Christen, egal von wo sie herkommen, unsern Glauben freudig zu bekennen.
Die verantwortlichen Organisatoren der Prozession sehen ab, zunächst weitere Vorschriften zu erlassen und so irgendwie die Prozession in ihrer Entwicklung zu beeinflussen. Sie bitten aber die Teilnehmer, sich selbst Gedanken über ihren Auftritt in der Prozession zu machen. Die Prozession als religiöse Kundgebung darf auf keinen Fall mit einem Folklore-Umzug verwechselt werden, das sind wir ihrer Geschichte und ihrer Wertschätzung als UNESCO-Kulturerbe der Menschheit schuldig!

 
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